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«COPD: Wenn die Luft wegbleibt» 23. Juni 2022

«COPD: Wenn die Luft wegbleibt»

Rund 400 000 Menschen in der Schweiz sind von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) betroffen. Ursache ist meist Rauchen. Die Krankheit entwickelt sich schleichend und bleibt meist lange unbemerkt. PD Dr. med. Daniel Franzen, Departementsleiter Medizinische Disziplinen und Co-Chefarzt Pneumologie beantwortet Fragen zur Erkrankung und zu den Therapiemöglichkeiten.

Volkskrankheit. Was ist COPD überhaupt?

Eine chronische Erkrankung der Lunge, vereinfacht gesagt: COPD-Patient*innen leiden unter einer Störung der Atmung (auch Obstruktion genannt). Stellen Sie sich die Lunge wie einen Baum vor: Der Stamm ist die Luftröhre, Äste und Zweige sind die Bronchialwege mit den Bronchien und die Blätter die Alveolen (Lungenbläschen). COPD beginnt mit einer chronischen Entzündung der Atemwege. Die Bronchien verengen sich und/oder es kommt zu einer Überblähung der Lunge (im Fachjargon Lungenemphysem). Die Entzündung macht die Trennwände der Lungenbläschen kaputt. Über die Trennwände findet der Gasaustausch statt: Sauerstoff aus der Luft gegen Kohlendioxid aus dem Blut. Der Gasaustausch funktioniert immer schlechter und es kommt zum Sauerstoffmangel, obwohl die Lunge voller Luft ist. Es gibt vier Stadien von COPD: Je höher das Stadium, desto fortgeschrittener ist die Erkrankung.


Wie macht sich COPD bemerkbar?

Auswurf, Husten und Atemnot – oder kurz: Die «AHA-Symptome» sind typische erste Anzeichen. Dabei entstehen die Beschwerden nicht plötzlich, sondern entwickeln sich über Jahre hinweg. Gemeinsam treten sie erst im fortgeschrittenen Verlauf der Erkrankung auf. Werden die Symptome über Jahre ignoriert, geht wertvolle Zeit verloren.


Wie lässt sich die Erkrankung nachweisen?

Für eine sichere Diagnose ist neben der ärztlichen Abklärung ein einfacher Lungenfunktionstest – die sogenannte Spirometrie – unabdingbar. Denn Symptome wie Husten mit Auswurf und Atemnot können auch auf Asthma hinweisen, das allerdings meist vor dem 40. Altersjahr auftritt. Die erste Anlaufstelle, um eine mögliche COPD abzuklären, ist der Hausarzt.


Sind nur Raucher*innen betroffen?

Für Raucher*innen ist die Gefahr am grössten. COPD entsteht, wenn Schadstoffe in die unteren Atemwege eindringen und die Lunge dauerhaft belasten – das setzt chronische Entzündungsprozesse in Gang. Welche Ursachen eine COPD im Einzelfall hat, ist oft schwer nachzuvollziehen. Den grössten Anteil hat aber eindeutig das Rauchen, auch passiv.


Wie hoch ist das Risiko, an COPD zu erkranken?

Grundsätzlich lässt sich sagen: Je länger und je mehr Zigaretten am Tag geraucht wurden, desto höher ist das Risiko. Neben dem Rauchen gibt es weitere Risikofaktoren: ein erhöhtes Alter, Feinstaub- und Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz (zum Beispiel auf dem Bau oder in der Landwirtschaft), häufige Atemwegsinfekte oder eine genetische Veranlagung.


Ist COPD heilbar?

Heilbar nicht, aber es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, um den Verlauf zu verlangsamen.


Welche sind das?

Die Therapie basiert auf vier Säulen. Erstens: der Rauchstopp, gefolgt von einer medikamentösen Therapie und regelmässiger sportlicher Aktivität. Zweitens: der Aktionsplan. Was muss ich machen, wenn sich meine COPD verschlechtert, und welche Medikamente benötige ich für den Notfall? Drittens: Impfungen gegen Atemwegserkrankungen wie Pneumokokken, Influenza und Covid-19. Viertens und erst bei einem weiter fortgeschrittenen Stadium: Sauerstoff. Wenn alle Massnahmen ausgeschöpft sind, kommen eine Lungenvolumenreduktion oder eine Rheoplastie (Verödung der schleimbildenden Zellen) in Frage, mit dem Ziel, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität zu verbessern. Der letzte Schritt ist eine Lungentransplantation. Wichtig: Je früher die COPD erkannt wird, desto besser lässt sie sich behandeln.


Bringt ein Rauchstopp etwas, wenn bereits COPD diagnostiziert wurde?

Ein ganz klares Ja: Nur so wird die weitere Zerstörung der Lunge gebremst. Es lohnt sich, in jedem Krankheitsstadium mit dem Rauchen aufzuhören.


Für viele ist die Angst vor zusätzlichen Kilos so stark, dass sie sich nicht von Zigaretten lossagen können. Welchen Tipp können Sie geben?

Wer mit dem Rauchen aufhört, wird automatisch fitter. Nutzen Sie die Chance und treiben Sie wieder mehr Sport. Entwickeln Sie ein neues Lebensgefühl. Wenn der Hunger zunimmt, ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Sättigung und Appetit zu finden. Wer sich also nach dem Rauchstopp nicht zurücklehnt, sondern auf Sport und Ernährung achtet, braucht nichts zu befürchten.

Lun­gen- und Atem­wegs­er­kran­kun­gen

Im Spital Uster werden alle Arten von Lungenkrankheiten und Atemwegserkrankungen behandelt. Zusätzlich zur Facharzt-Sprechstunde gibt es ein ambulantes Rehabilitationsprogramm sowie eine Rauchstopp-Beratung. Eine Lungengruppe ermöglicht die Langzeitbegleitung von Patient*innen mit chronischen Lungenerkrankungen. Im Bereich der interventionellen Pneumologie werden bei fortgeschrittener COPD u.a. bronchoskopische Lungenvolumenreduktionen und Rheoplastien durchgeführt.

Mehr erfahren: spitaluster.ch/lunge

Daniel Franzen

Daniel Franzen

Departementsleiter Medizinische Disziplinen, Co-Chefarzt Pneumologie

PD Dr. med Daniel Franzen ist seit 2022 neuer Departementsleiter Medizinische Disziplinen am Spital Uster. Zuvor war er im Universitätsspital Zürich (USZ) tätig. Nach der Spezialisierung in internistischer Intensivmedizin und Pneumologie arbeitete Franzen ab 2011 zunächst als Oberarzt in der Inneren Medizin, bevor er 2013 in die Pneumologie wechselte. 2017 wurde er zum Leitenden Arzt in der Klinik für Pneumologie ernannt und übernahm im Februar 2021 die Funktion des stellvertretenden Klinikdirektors Pneumologie. Weitere berufliche Erfahrungen sammelte er im Spital Zollikerberg sowie in der Ruhrlandklinik Essen (D) im Bereich der interventionellen Pneumologie. Der 46-Jährige ist Vater von drei Kindern, spielt in einer Rockband und ist ein begeisterter Velofahrer.

Headerbild: Marco Blessano Text: Jana Eichenberger