
«Unsere Erfolgsquote liegt bei über 90 Prozent»
Das Spital Uster wurde 2013 von der Schweizerischen Gesellschaft für Wundbehandlung (SAfW) als Wundbehandlungszentrum anerkannt und nahm damals ausserhalb der Stadt Zürich eine Vorreiterrolle ein. Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden können jedoch schon viel länger auf unsere Expertise zählen: Die Wundsprechstunde am Spital Uster feiert bereits ihr 15-jähriges Bestehen.

Andrea Rütsche
Pflegefachfrau HF und WundexpertinDas Knie geschürft, in den Finger geschnitten, die Hand verbrannt oder eine Platzwunde am Kopf: Solche «akuten» Wunden heilen in der Regel von selbst, wenn sie gut gereinigt, desinfiziert und richtig versorgt werden. «Zu uns in die Wundsprechstunde kommen in erster Linie Patientinnen und Patienten mit sogenannten ‹Problemwunden› oder ‹chronischen› Wunden – das sind Wunden, die schlecht oder gar nicht heilen», erklärt die Wundexpertin Andrea Rütsche. Die Ursachen sind vielseitig: Wundheilungsstörungen nach einer Operation oder wenn sich eine «akute» Wunde entzündet hat. Chronische Wunden entstehen aber auch aufgrund von Gefässkrankheiten oder bei Diabetes. Häufige Krankheitsbilder sind der Diabetische Fuss oder der Ulcus cruris – im Volksmund offenes Bein genannt.
Ganzheitlich und individuell
Oft haben die Betroffenen Schmerzen und sind in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Hinzu kommt manchmal auch Scham. «Kommt eine Patientin oder ein Patient mit einer chronischen Wunde zu uns, ist das oberste Ziel die Wundheilung. Wir versorgen nicht nur die Wunde, sondern beziehen Einflussfaktoren wie Alter, Gewicht, Ernährung, Rauchen oder Begleiterkrankungen in die Behandlung mit ein», so Andrea Rütsche. Der Therapieplan wird individuell abgestimmt. Bei Bedarf werden weitere Fachpersonen hinzugezogen. Handelt es sich um sehr komplexe Wunden, sind manchmal zusätzliche Abklärungen notwendig. «Es braucht Zeit, Geduld und auch ein wenig Kreativität. Wir probieren immer wieder Neues aus, wenn es nicht so läuft wie gewünscht. Die Behandlungen dauern von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten, manchmal gar Jahre.» Sobald sich eine Wunde stabilisiert hat und sich eine anhaltende Besserung zeigt, können die Patientinnen und Patienten durch die Spitex oder den Hausarzt weiterbehandelt werden. Zudem arbeiten wir eng mit externen Partnern für orthopädische Schuhversorgung, Strumpfanpassung und Hilfsmitteln zusammen.
Angebot stetig ausgebaut
An die Anfänge erinnert sich Andrea Rütsche bestens. 1996 besuchte sie die erste Weiterbildung zur Wundbehandlung – im Fachjargon Wundmanagement genannt. Über die Jahre zeigte sich, dass eine Nachfrage nach einer Wundsprechstunde besteht, und so wurde im Juni 2007 das Wundambulatorium im Spital Uster eröffnet. «Wir waren Vorreiter und haben als Erste im Zürcher Oberland und Glatttal eine Wundsprechstunde lanciert. Am Anfang wurde ein Zimmer in der Chirurgischen Tagesklinik umfunktioniert und mit einem halben Tag gestartet. Ein Jahr später waren es bereits zwei Tage», entsinnt sich Rütsche. 2008 wurden 731 Wundbehandlungen gezählt, heute sind es mit rund 1300 fast doppelt so viele. Mittlerweile ist das Ambulatorium an fünf Tagen die Woche geöffnet und es arbeiten sechs Wundexpert*innen im Team. Für sehr komplexe Fälle gibt es eine interdisziplinäre Wundsprechstunde. An den Beratungen nehmen Fachleute für Gefäss- und Hauterkrankungen, Infektiologie, Ernährung, Innere Medizin, Chirurgie und Wiederherstellungschirurgie teil. «Die Wundsprechstunde ist ein wichtiges Angebot für ambulante Patientinnen und Patienten und über die Grenzen unseres Einzugsgebiets bekannt. Unsere Erfolgsquote liegt bei über 90 Prozent. Darauf sind wir besonders stolz», so die Wundexpertin.
Wir behandeln jedes Jahr rund 200 neue Patientinnen und Patienten.
Modernste Wundmedizin
Die Behandlung chronischer Wunden hat sich in den letzten Jahren enorm verändert und weiterentwickelt. Inzwischen gibt es eine unglaubliche Bandbreite an Verbandsmaterialien und Wundauflagen sowie Mitteln und Techniken für die Wundreinigung. Das erleichtert die Arbeit und gibt viel Spielraum. Für die Patientinnen und Patienten sind die Behandlungen dank modernster Wundmedizin heute viel angenehmer und erzielen eine schnellere Heilung. Die Wundexpert*innen selbst bilden sich regelmässig weiter und lassen neueste Erkenntnisse aus Studien in ihre tägliche Arbeit einfliessen. So werden immer wieder neue Technologien und Materialien getestet. An einen komplexen Fall kann sich Rütsche gut erinnern. «Ein Mann, 60 Jahre alt. Ihm mussten aufgrund einer Gefässerkrankung beide Oberschenkel amputiert werden. Es gab praktisch keine Haut mehr auf den Stümpfen. Anfangs dauerte jede Behandlung bis zu drei Stunden, insgesamt kam er zwei Jahre lang zu uns. Wir probierten viel aus und schafften es letztendlich, dass die Wunden heilten. Er war so überglücklich, dass er es sich nicht nehmen lassen wollte, uns zum Essen auszuführen.»