Krampfadern: gefährlich oder nur unschön?
Krampfadern sind weitverbreitet. Weitverbreitet ist auch, dass viele Menschen das Thema verharmlosen und eine ärztliche Untersuchung oder gar Behandlung hinauszögern. Spätestens, wenn die Krampfadern Beschwerden machen, sollte man reagieren. Heutzutage können Krampfadern mittels schonender, minimalinvasiver Verfahren behandelt werden.
Mir wurde vor vielen Jahren eine Operation meiner Krampfadern (Varizen) empfohlen. Ein Schmerz in der Wade hatte mich zur ärztlichen Beratung geführt, wo eine Ultraschalluntersuchung ein fortgeschrittenes Krampfaderleiden zutage förderte. Die Ergebnisse erstaunten mich. Abgesehen von einer deutlichen Krampfader am rechten Fuss hatte ich weder sichtbar hervorstehende Venen noch Beschwerden wie schwere oder geschwollene Beine. Bis auf den ästhetischen Aspekt, der für mich wenig Relevanz hatte, sah ich in einem Eingriff keinen deutlich erkennbaren Nutzen. Ausserdem hatte ich Respekt davor. Heute, fast zehn Jahre später, bin ich noch immer eine unbehandelte «Krampfaderbetroffene». Und damit nicht allein.
Krampfadern ernst nehmen
Venenleiden sind eine Volkskrankheit. Schätzungen gehen davon aus, dass jeder dritte Erwachsene von Krampfadern betroffen ist. Viele davon haben noch nie eine ärztliche Meinung dazu eingeholt. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Krampfadern sind nicht reversibel. «Der Verlauf bis zum Operationstermin kann aber durchaus positiv beeinflusst werden», so Dr. med. Martin Bosch, Oberarzt Chirurgie am Spital Uster. Kompressionsstrümpfe oder Medikamente können helfen, den venösen Rückstrom des Blutes zu verbessern, und sind zusammen mit venenschonendem Verhalten – dem Vermeiden langen Stehens oder Sitzens sowie dem regelmässigen Hochlagern der Beine – Mittel erster Wahl. Sie ermöglichen es, Phasen wie die warmen Sommermonate zu überbrücken, in denen die Beschwerden oft ausgeprägter sind.
«Man sollte Krampfadern nicht auf die leichte Schulter nehmen», findet auch Fabian Johner, Oberarzt Angiologie am Spital Uster. Er ist Ansprechpartner, wenn es um die angiologische Beurteilung von Beinvenen geht. Fast täglich hat er mit «Krampfaderbetroffenen» zu tun. «Manchen von ihnen wären Komplikationen erspart geblieben, wenn sie früher reagiert hätten», sagt er bedauernd. Ein Fortschreiten der Erkrankung kann zu schwerwiegenden Hautveränderungen führen. Mögliche Folgen sind offene Wunden, oberflächliche Venenentzündungen oder gar die gefährliche tiefe Beinvenenthrombose.
Langes Stehen oder Sitzen sollte vermieden werden.
Etablierte schonende Verfahren
In meinem persönlichen Fall hat sich das Zuwarten vielleicht ausgezahlt, rede ich mir ein. Denn die Behandlungsmöglichkeiten haben sich enorm weiterentwickelt. Bosch bestätigt: «Früher wurden die Eingriffe ausschliesslich mittels offener Operationstechniken vorgenommen. Über einen Zugang im Leistenbereich oder in der Kniebeuge wurde die für das Krankheitsbild ursächliche Vene freipräpariert und mittels Metallsonden aus dem umgebenden Gewebe herausgezogen.» Das klassische Venenstripping wird zwar von Chirurginnen und Chirurgen wie ihm selbst nach wie vor in speziellen Situationen durchgeführt. Meist wird heute jedoch gewebeschonend und minimalinvasiv operiert und auf ausgedehnte Hautschnitte verzichtet. Die Eingriffe finden fast ausschliesslich ambulant statt und können teils direkt durch den Angiologen vorgenommen werden. Als Spezialist für Gefässe bietet er nicht nur die Diagnostik an, sondern behandelt die Krampfadern mittels operationsersetzenden Methoden. Es sind dies die Laser- oder Radiowellentherapie oder Schaumsklerosierung, die zum Ziel haben, die Vene durch Erhitzen oder Veröden zu verschliessen.
Früh zu reagieren, lohnt sich
Wann genau der Zeitpunkt gekommen ist, Krampfadern zu beseitigen, ist sehr individuell. «Wenn die Krampfadern Symptome machen, empfehlen wir, etwas dagegen zu unternehmen», sagt Gefässspezialist Johner. Was aber ist mit den Risiken, die ein Eingriff birgt? «Denkbare Komplikationen werden vor einer Operation ausführlich besprochen», erklärt Martin Bosch und beruhigt: «Unerwünschte Nebenwirkungen wie Entzündungen oder oberflächliche Gefühlsstörungen der Haut treten glücklicherweise selten auf.» Ein Vorteil im Spital Uster sei es, dass während der Operation zusätzlich ein Radiologe zugegen sei, der mittels Ultraschalltechnik die präzise Positionierung der Radiofrequenzsonde unterstütze.
Niedrige Rückfallquote
Kann man Krampfadern auch zu früh behandeln? «Nein», sind sich die beiden Spezialisten einig. Das erneute Auftreten von Krampfadern nach einer Operation könne zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, die Rückfallquote sei jedoch sehr niedrig. «Je länger man wartet, desto komplexer wird der Eingriff und dementsprechend länger auch die Erholungsphase», so die Worte von Dr. Bosch. Das bedeutet wohl, dass auch ich mich nochmals eingehender mit dem Thema auseinandersetzen werde.