Leistenbruch: ein «Bruch» mit Tücken
Ein unangenehmer Druck, ziehende Schmerzen oder eine Schwellung in der Leistengegend – die Symptome eines Leistenbruchs sind ganz unterschiedlich. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Bei anhaltenden Leistenbeschwerden empfiehlt sich der Gang zur Hausärztin oder zum Hausarzt.
Peter S.* ist 45 Jahre alt. Seit einiger Zeit hat er ein unangenehmes Druckgefühl in der Leistengegend. Peter arbeitet als Handwerker. Eines Tages verspürt er beim Heben einer schweren Kiste einen stechenden Schmerz. Die Schmerzen strahlen bis in den Hoden aus und er bemerkt eine Beule. Peter geht sofort zu seinem Hausarzt. Der untersucht ihn und stellt fest, dass es sich um einen Leistenbruch handelt. «Die Bezeichnung Leistenbruch mag etwas irreführend sein. Bei einem Bruch denken wir eher an einen gebrochenen Knochen. Bei einem Leistenbruch, auch Inguinalhernie oder Leistenhernie genannt, handelt es sich jedoch um eine Lücke in der Bauchdecke», erklärt PD Dr. med. Heidi Misteli, Hernienspezialistin am Spital Uster. Konkret heisst das: Hier kann Gewebe austreten, zum Beispiel das Bauchfell oder Organe aus der Bauchhöhle wie Dünndarm, Dickdarm oder Blase. Dies verursacht eine Schwellung und häufig auch Schmerzen. Im Extremfall können ausgetretene Bauchorgane eingeklemmt werden, was unbehandelt zu Komplikationen führt.
Männer häufiger betroffen
«Aufgrund einer anatomischen Schwachstelle beim Leistenkanal sind Männer zehnmal häufiger betroffen als Frauen», so Heidi Misteli weiter. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass alle Männer einen Leistenbruch entwickeln. Eine Kombination von anatomischen Faktoren, Lebensstil und genetischer Veranlagung erhöht allerdings das Risiko. Alles, was den Druck im Bauchraum ansteigen lässt, begünstigt zudem das Entstehen einer Hernie. Das sind etwa das Tragen und Heben schwerer Lasten, chronischer Husten, chronische Verstopfung, eine Prostatavergrösserung und Übergewicht.
Frühzeitig abklären lassen
«Eine Leistenhernie kann nicht von
selbst heilen, sondern verschlimmert
sich mit grosser Wahrscheinlichkeit»,
betont Heidi Misteli. Für eine geraume
Zeit helfe eine Schmerztherapie und
der Patient könne die Ausstülpung
selbst wieder zurückdrücken. Auch
ein Bauchgurt kann die Beschwerden höchstens etwas lindern. Die
Einklemmungsgefahr wird aber nicht
reduziert. «Statistisch gesehen, sind
Notfälle bei Hernien zwar selten. Aber
wird ein Leistenbruch nicht erkannt
und behandelt, können Teile des
Darms einklemmen und absterben. Im
schlimmsten Fall kommt es zu einer
lebensgefährlichen Bauchfellentzündung», führt sie weiter aus. Heidi Misteli empfiehlt deshalb bei anhaltenden
Leistenbeschwerden eine Abklärung
beim Hausarzt. Dieser untersucht die
Bruchlücke, den Bruchsack und den
Bruchinhalt und überprüft, ob dieser
in die Bauchhöhle rückführbar ist.
Eine Operation wird insbesondere bei
Beschwerden empfohlen.
Eine Leistenhernie kann nicht von selbst heilen.
Schonende Verfahren etabliert
Leistenbruch-Operationen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen. Neben der offenen Operation (Bauchschnitt) werden heute mehrheitlich weniger belastende minimalinvasive Operationen mit endoskopischen bzw. laparoskopischen Verfahren – der sogenannten Schlüssellochchirurgie – oder roboterassistierte Operationen durchgeführt. Während des Eingriffes wird der Bruchsackinhalt in den Bauchraum zurückverlagert und der Bruch verschlossen. Um einem Rückfall vorzubeugen, wird ein Kunststoffnetz eingesetzt und so die Bauchwand verstärkt. «Welches Verfahren letztlich angewandt wird, ist von der Schwere, Art und Lage des Leistenbruchs sowie vom Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen abhängig.»
70 Prozent ambulant operiert
Die Hernienchirurgie hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Mittlerweile werden rund 70 Prozent der einseitigen Hernienoperationen mittels minimalinvasiver Technik ambulant durchgeführt. In der Regel kann der Patient zwei Stunden nach dem Eingriff nach Hause. «Die Vorteile liegen auf der Hand: Es sind nur sehr kleine Hautschnitte nötig und es besteht ein sehr geringes Risiko für einen weiteren Leistenbruch. Der Patient hat kaum Schmerzen, ist schnell wieder aktiv und voll belastbar», fasst Dr. med. Heidi Misteli zusammen. Komplikationen wie beispielsweise eine Verletzung des Bauchfells mit Schmerzen nach der Operation oder Nachblutungen sind selten. «Bei bis zu 25 Prozent der Fälle stellen wir während der Operation fest, dass ein beidseitiger Leistenbruch vorliegt, auch wenn dieser noch nicht tastbar ist. Hier empfiehlt sich eine beidseitige Operation.» In diesem Fall bleibt der Patient zwei bis drei Tage im Spital, wobei auch dann eine Vollbelastung meist nach kurzer Zeit möglich ist.
*Fiktives Beispiel