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Leistenbruch: ein «Bruch» mit Tücken 30. Juni 2023

Leistenbruch: ein «Bruch» mit Tücken

Ein unangenehmer Druck, ziehende Schmerzen oder eine Schwellung in der Leistengegend – die Symptome eines Leistenbruchs sind ganz unterschiedlich. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Bei anhaltenden Leistenbeschwerden empfiehlt sich der Gang zur Hausärztin oder zum Hausarzt.

Peter S.* ist 45 Jahre alt. Seit einiger Zeit hat er ein unangenehmes Druckgefühl in der Leistengegend. Peter arbeitet als Handwerker. Eines Tages verspürt er beim Heben einer schweren Kiste einen stechenden Schmerz. Die Schmerzen strahlen bis in den Hoden aus und er bemerkt eine Beule. Peter geht sofort zu seinem Hausarzt. Der untersucht ihn und stellt fest, dass es sich um einen Leistenbruch handelt. «Die Bezeichnung Leistenbruch mag etwas irreführend sein. Bei einem Bruch denken wir eher an einen gebrochenen Knochen. Bei einem Leistenbruch, auch Inguinalhernie oder Leistenhernie genannt, handelt es sich jedoch um eine Lücke in der Bauchdecke», erklärt PD Dr. med. Heidi Misteli, Hernienspezialistin am Spital Uster. Konkret heisst das: Hier kann Gewebe austreten, zum Beispiel das Bauchfell oder Organe aus der Bauchhöhle wie Dünndarm, Dickdarm oder Blase. Dies verursacht eine Schwellung und häufig auch Schmerzen. Im Extremfall können ausgetretene Bauchorgane eingeklemmt werden, was unbehandelt zu Komplikationen führt.


Männer häufiger betroffen

«Aufgrund einer anatomischen Schwachstelle beim Leistenkanal sind Männer zehnmal häufiger betroffen als Frauen», so Heidi Misteli weiter. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass alle Männer einen Leistenbruch entwickeln. Eine Kombination von anatomischen Faktoren, Lebensstil und genetischer Veranlagung erhöht allerdings das Risiko. Alles, was den Druck im Bauchraum ansteigen lässt, begünstigt zudem das Entstehen einer Hernie. Das sind etwa das Tragen und Heben schwerer Lasten, chronischer Husten, chronische Verstopfung, eine Prostatavergrösserung und Übergewicht.


Frühzeitig abklären lassen

«Eine Leistenhernie kann nicht von selbst heilen, sondern verschlimmert sich mit grosser Wahrscheinlichkeit», betont Heidi Misteli. Für eine geraume Zeit helfe eine Schmerztherapie und der Patient könne die Ausstülpung selbst wieder zurückdrücken. Auch ein Bauchgurt kann die Beschwerden höchstens etwas lindern. Die Einklemmungsgefahr wird aber nicht reduziert. «Statistisch gesehen, sind Notfälle bei Hernien zwar selten. Aber wird ein Leistenbruch nicht erkannt und behandelt, können Teile des Darms einklemmen und absterben. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung», führt sie weiter aus. Heidi Misteli empfiehlt deshalb bei anhaltenden Leistenbeschwerden eine Abklärung beim Hausarzt. Dieser untersucht die Bruchlücke, den Bruchsack und den Bruchinhalt und überprüft, ob dieser in die Bauchhöhle rückführbar ist. Eine Operation wird insbesondere bei Beschwerden empfohlen.

Eine Leistenhernie kann nicht von selbst heilen.

PD Dr. med. Heidi Misteli ist seit 2018 als Leitende Ärztin am Spital Uster tätig. Die Fachärztin Chirurgie mit Schwerpunkt Viszeralchirurgie hat langjährige Erfahrung in minimalinvasiven Techniken insbesondere am Da-Vinci-Operationsroboter. Sie ist im Vorstand der Swiss-MIS (Schweizerische Arbeitsgruppe für minimalinvasive Chirurgie) und bildet in der Roboterchirurgie aus.

Schonende Verfahren etabliert

Leistenbruch-Operationen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen. Neben der offenen Operation (Bauchschnitt) werden heute mehrheitlich weniger belastende minimalinvasive Operationen mit endoskopischen bzw. laparoskopischen Verfahren – der sogenannten Schlüssellochchirurgie – oder roboterassistierte Operationen durchgeführt. Während des Eingriffes wird der Bruchsackinhalt in den Bauchraum zurückverlagert und der Bruch verschlossen. Um einem Rückfall vorzubeugen, wird ein Kunststoffnetz eingesetzt und so die Bauchwand verstärkt. «Welches Verfahren letztlich angewandt wird, ist von der Schwere, Art und Lage des Leistenbruchs sowie vom Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen abhängig.»


70 Prozent ambulant operiert

Die Hernienchirurgie hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Mittlerweile werden rund 70 Prozent der einseitigen Hernienoperationen mittels minimalinvasiver Technik ambulant durchgeführt. In der Regel kann der Patient zwei Stunden nach dem Eingriff nach Hause. «Die Vorteile liegen auf der Hand: Es sind nur sehr kleine Hautschnitte nötig und es besteht ein sehr geringes Risiko für einen weiteren Leistenbruch. Der Patient hat kaum Schmerzen, ist schnell wieder aktiv und voll belastbar», fasst Dr. med. Heidi Misteli zusammen. Komplikationen wie beispielsweise eine Verletzung des Bauchfells mit Schmerzen nach der Operation oder Nachblutungen sind selten. «Bei bis zu 25 Prozent der Fälle stellen wir während der Operation fest, dass ein beidseitiger Leistenbruch vorliegt, auch wenn dieser noch nicht tastbar ist. Hier empfiehlt sich eine beidseitige Operation.» In diesem Fall bleibt der Patient zwei bis drei Tage im Spital, wobei auch dann eine Vollbelastung meist nach kurzer Zeit möglich ist.


*Fiktives Beispiel


Was ist eine Hernie?

Bei einem Leistenbruch, auch Hernie genannt, «bricht» die vordere Bauchwand an einer Schwachstelle in der Leistengegend. Durch den «Bruch» in der Bauchdecke oder im Zwerchfell können sich Gewebe (z. B. Bauchfell) und Organe (Dünndarm, Dickdarm oder Blase) bis unter die Haut oder in den Brustkorb hinein vorwölben. Der Leistenbruch ist der häufigste Bauchwandbruch. Drei von vier Hernien betreffen die Leiste. Weitere Informationen: www.spitaluster.ch/hernien
Headerbild: Sarah Buob Text: Jana Eichenberger