
Wenn der Zyklus zur Herausforderung wird
Junge Frauen, die Dr. med. Rasmus Schmädecker aufsuchen, haben oft einen langen Leidensweg hinter sich. Endometriose beeinträchtigt nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch die Familienplanung. Der Experte für Endometriose und Fertilitätschirurgie betont, wie wichtig die individuelle Lebensplanung jeder Patientin für die Behandlung ist.
Welche Symptome sind typisch für Endometriose?
Meist ist die Krankheit mit einem bunten Strauss an Symptomen verbunden. Eine schmerzhafte Regelblutung ist eines davon. Dazu kommen Unterbauchschmerzen, die bis in die Beine oder den unteren Rücken ausstrahlen oder Probleme mit der Verdauung. Oft sind die Beschwerden zyklusabhängig. Es gibt aber auch Patientinnen, die überhaupt keine Beschwerden haben. Die Erkrankung wird dann zufällig festgestellt, zum Beispiel bei Abklärung einer ungewollten Kinderlosigkeit.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Neben Schmerzmitteln geht es in erster Linie darum, die Symptome mit einer adäquaten hormonellen Therapie zu lindern. Gemeinsam mit der Patientin suchen wir ein verträgliches Präparat, das ohne Pause angewendet wird. Damit unterdrücken wir den weiblichen Zyklus und legen den «Motor» der Erkrankung lahm. Oft klingen die Beschwerden in diesem blutungsfreien Zustand ab. Bei einigen Patientinnen zeigt diese Therapie jedoch keinen ausreichenden Erfolg.
Was empfiehlst du in einem solchen Fall?
Wenn die hormonelle Therapie nicht greift, sollte eine minimal-invasive Operation – die sogenannte Bauchspiegelung – durchgeführt und hier festgestellte Endometrioseherde entfernt werden. Etwas komplexer sind Operationen der tief infiltrierenden Endometriose. Dabei wachsen Endometrioseherde in benachbarte Organe ein – zum Beispiel in den Darm, die Harnblase oder das Zwerchfell. Ich empfehle, den Zeitpunkt der Operation immer gut zu bedenken. Denn die Behandlung hat einen grossen Einfluss auf die weitere Lebensplanung einer Patientin – und anders herum.
Dank neuer Operationstechniken können wir die Fruchtbarkeit erhalten.
Wie meinst du das konkret?
Nehmen wir als Beispiel eine 35-jährige Patientin mit Kinderwunsch und Eierstock-Endometriose sowie tief infiltrierender Endometriose am Darm, die aber in ihrem Fall keine spezifischen Beschwerden verursacht: Hier kann es Sinn machen, das Ausmass der Operation zunächst auf den Eierstock zu beschränken und dann sofort die Schwangerschaft in Angriff zu nehmen. Nur, wenn zukünftig Beschwerden auftreten, operieren wir die Endometriose am Darm – oft ein grösserer Eingriff, der eine längere Erholungszeit bedingt und eher Komplikationen verursachen kann. Bei einer jüngeren Patientin ohne Kinderwunsch, aber mit spezifischen Symptomen der Darmendometriose – wie zum Beispiel starken Schmerzen beim Stuhlgang – sähe die Behandlung vielleicht ganz anders aus.
Du sprichst ein Thema an, das dir besonders am Herzen liegt: Bei operativer Therapie die Fruchtbarkeit zu erhalten.
Absolut! Gerade bei Endometriose an den Eierstöcken, sogenannten Endometriosezysten, wurde mit der bisherigen Operationstechnik bei der Bauchspiegelung leider nicht nur das kranke Gewebe entfernt, sondern auch gesundes Eierstockgewebe. Dadurch wurden die Eierstockreserven reduziert. Inzwischen haben wir die Möglichkeit, Zysten am Eierstock zu abladieren. Dabei veröden wir ausschliesslich das Endometriosegewebe und können die Fruchtbarkeit erhalten. Ein toller Fortschritt!
Können sich Endometrioseherde nach einer Operation wieder neu bilden?
Ja. Deshalb empfehle ich bei einem Kinderwunsch, diesen möglichst rasch nach der Operation umzusetzen. Denn der positive Effekt hält nur etwa sechs Monate und nimmt dann langsam wieder ab. Besteht kein Kinderwunsch oder ist die Familienplanung abgeschlossen, macht es Sinn, nach der Operation eine hormonelle Therapie fortzuführen. So können weitere Operationen bestenfalls vermieden werden.